
Eishockey Kolumne
WM - besser als Olympia!
Wenn die Temperaturen steigen, ist das ein untrügliches Zeichen: Es kommt noch was im Eishockey. Und tatsächlich: Ab Freitag steht in Finnland die Weltmeisterschaft an. Sie ist der internationale Höhepunkt des Jahres, denn: Das Olympiaturnier litt unter Mangel an Klasse. Die NHL, die beste Liga der Welt, stellte ihre Spieler nicht ab. Wohl aber werden in Helsinki und Tampere jede Menge Cracks aus Nordamerika dabei sein können. (Sieg USA: 7,0) Bestückt aus den 16 Mannschaften, die die Playoffs nicht erreicht haben – und im Verlauf der WM stehen dann die zur Verfügung, die mit ihren Teams das Achtelfinale nicht überstanden haben. Im Vorjahr waren Nachnominierungen problematisch, denn die Nachrücker mussten vor Ort im lettischen Riga erst einmal in eine fünftägige Hotelzimmer-Quarantäne. In Finnland wird es solche Einschränkungen nicht geben. Getestet wird bei Ankunft und danach nur noch, wenn Symptome einer Corona-Infektion auftreten.
So wie es vor Corona war, wird es trotzdem noch nicht sein. Denn bemerkbar macht sich die zweite große Weltkrise, der Krieg in der Ukraine. Russland wurde ausgeschlossen von der WM, ebenso Belarus. Es war der Reiz einer Eishockey-WM, dass die immer gleichen Favoriten aus drei unterschiedlichen Schulen stammten: Kanada und USA vertraten den Spirit des Nieaufgebens, Finnland und Schweden (Sieg Schweden: 5,0) repräsentierten kühle Strategie, der Osten Europas individuelle Spielkunst, die im Kollektiv aufging. Ohne Russland schrumpft dieser Block auf Tschechien (Sieg Tschechien: 8,0), das in den letzten Jahren ein wenig den Anschluss verlor, und die Slowakei (Sieg Slowakei: 21,0). Doch ganz klar: Rossija, das gerade in Finnland viele Fans gezogen hätte und immer eine Attraktion ist – entweder dank seiner Spieler oder aufgrund exaltierten Auftretens im Umfeld -, wird fehlen.
Für Deutschland wird es dadurch aber leichter, das Minimalziel Viertelfinale zu erreichen. Russland wird durch die B-Nation Frankreich ersetzt. Da wird ein Sieg zur Pflicht – wie auch gegen Italien und Kasachstan. Schlüsselspiele für die deutsche Mannschaft: Kanada, Slowakei, Dänemark, Schweiz. Zwei Brocken kommen gleich zu Beginn, doch selbst ein Start mit zwei Niederlagen muss noch nichts bedeuten. „Wir brauchen einen Punkt, von dem aus wir arbeiten können“, erklärt Bundestrainer Toni Söderholm. (Sieg Deutschland: 41,0)
Er kennt die Umstände vor Ort bestens. Weil die für die Spiele in Helsinki zunächst vorgesehene Hartwall-Arena drei russischen Oligarchen gehört und man diese nicht mit Einnahmen beglücken wollte, zog die komplette Gruppe ins IFK-Stadion um. In diesem wuchs der Finne Söderholm auf. „Schon mit zwei Jahren saß ich dort bei den Spielen auf der Treppe neben der Pressetribüne“, sein Vater nahm ihn in die Halle mit. Später spielte Verteidiger Söderholm zehn Jahre für IFK. (Sieg Finnland: 3,7)
Die finnischen Medien werden sich für ihn interessieren – aber Söderholm liefert ihnen noch ein anderes Trainerthema. Unter seinen Assistenten ist eine Frau, die 29-jährige Kanadierin Jessica Campbell. Sie hat sich darauf spezialisiert, technisches Können zu vermitteln, bei den Nürnberg Ice Tigers arbeitet sie als „Skills Coach“. Söderholm adelt sie als „Assistenztrainerin, auf deren Gedanken zur Strategie ich mich freue“. Eine Frau, die Männer anweist – klar, das ist ungewöhnlich im Eishockey. Doch nicht im Leben, wie Söderholm findet: „Wenn es im Flugzeug vor dem Start heißt, dass man eine Pilotin hat, steht man auch nicht auf und geht zum Terminal zurück.“